Vorwort: Im September durfte ich die virtuelle Jahrestagung der TU Kaiserslautern moderieren rund um Perspektiven für Studierenden-Erfolg. Bei meinen Vorbereitungen war ich im Austausch mit vielen Menschen, um mich für meine Rolle der virtuellen Moderatorin optimal vorzubereiten, unter anderem mit Leonie Ackermann, welche die Tagung in einem Dialog zusammen mit Professorin Dr. Mandy Schiefner-Rohs eröffnete. Beim Briefing wurde ich sensibilisiert rund um meine Sprache. Mir war nicht bewusst, wie wenig achtsam ich mit Worten rund um Geschlechterneutralität umgehe.
Und weil wir idealerweise zusammen üben, freue ich mich außerordentlich, dass Leonie Ackermann den nachfolgenden Gastbeitrag für uns geschrieben hat. Für Menschlichkeit. Für Herzlichkeit.
Ein Gastbeitrag von Leonie Ackermann:
Nicht alle Menschen sind Männer oder Frauen. Das Spektrum an Identitäten außerhalb der Geschlechterbinarität wird häufig unter dem Sammelbegriff “nicht-binär” oder “non-binary” zusammengefasst. Dieser Text bietet keine Aufzählung der unterschiedlichen nicht-binären Selbstbezeichnungen (dazu gibt es bereits interessante und vielseitige Aufstellungen online, z.B. das Nichtbinär-Wiki unter https://nibi.space , sondern darum, wie Sie ganz praktisch in Ihrem Alltag eine inklusive Atmosphäre für nicht-binäre Menschen schaffen können.
Der erste Schritt ist anzuerkennen, dass es nicht möglich ist, die Geschlechtsidentität des Gegenübers vom Aussehen oder Namen abzuleiten. Bezeichnungen für eine Person zu verwenden, die nicht ihrer Geschlechtsidentität entsprechen (z.B. das falsche Pronomen, Frau/Herr, feminine/maskuline Nomen), wird „Misgendering“ genannt. Diese Form der Mikroaggression erleben trans und nicht-binäre Personen alltäglich, werden durch sie ausgegrenzt und ihnen ihre Erfahrungen abgesprochen. Um Misgendering zu vermeiden können Sie folgendes tun:
- Statt Personen mit Frau oder Herr anzusprechen, können Sie Vornamen und Namen verwenden, z.B. Leonie Ackermann statt Frau Ackermann. Das geht auch wunderbar in Briefen und E-Mails: „Guten Tag/Hallo Max Mustermann“.
- Bei Vorstellungsrunden können Sie normalisieren, dass Menschen sich mit ihren Pronomen vorstellen. Damit machen Sie sichtbar, dass Pronomen sich nicht vom Namen oder Äußeren ableiten lassen. Beispiel: „Hallo, ich bin Iris, meine Pronomen sind sie/ihr.“ Sie können Ihre Pronomen beispielsweise auch hinter Ihren Namen in Videokonferenzen schreiben – insbesondere wenn Sie nicht trans oder nicht-binär sind. Denn wenn nur trans und nicht-binäre Personen ihre Pronomen nennen (müssen), werden sie damit direkt „geothered“ und als „unnormal“ markiert.
- Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie eine Person ansprechen sollen: Fragen ist immer besser, als einfach Annahmen zu treffen. Sie können auch komplett vermeiden, Pronomen für eine Person zu verwenden, indem Sie immer nur mit deren Namen über sie sprechen.
- Viele nicht-binäre Personen verwenden Neopronomen (z.B. xier, sier, fey), um sich außerhalb der grammatikalischen Geschlechter der deutschen Sprache bewegen zu können. Neopronomen zu verwenden braucht Übung – fragen Sie gerne nach Beispielsätzen!
- Üben Sie sich darin, neutrale Formulierungen zu verwenden, die nicht-binäre Menschen inkludieren, zum Beispiel: „Ich heiße Sie alle herzlich willkommen“ statt „Herzlich willkommen sehr geehrte Damen und Herren“, „Geschwister“ statt „Schwestern und Brüder“.
Viele Menschen erleben große Unsicherheit im Umgang mit trans und nicht-binären Menschen, denn sie haben Angst etwas falsch zu machen und eine Person zu verletzen. Ich möchte Ihnen Mut machen sich der Herausforderung zu stellen, an einer Gesellschaft mitzuarbeiten, in der sich Menschen aller Geschlechter wohlfühlen können. Sie werden Fehler machen – aber wenn Sie empathisch sind, bei Kritik zuhören und sich ehrlich entschuldigen, können alle nur profitieren. Ich wünsche viel Erfolg beim Ausprobieren und viele Begegnungen außerhalb der Geschlechter-Binarität!
Wo bekomme ich weitere Informationen?
Auch wenn ich versucht habe, meinen Text so hürdenfrei wie möglich zu schreiben, können jetzt natürlich bei Ihnen einige Fragezeichen aufgetaucht sein. Einen Glossar zu queeren Begriffen finden Sie hier: https://queer-lexikon.net/glossar/ oder schreiben Sie mir: leonie.ackermann@fzs.de
Einen Überblick über die rechtliche Situation und Beratungsangebote finden Sie auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität https://www.dgti.org.
Spezifische Informationen für die Situation an Hochschulen finden Sie bei der Arbeitsgruppe trans*emanzipatorische Hochschulpolitik http://ag-trans-hopo.org .
Bleiben Sie neugierig, informieren Sie sich!
Bio
Leonie Ackermann engagiert sich seit 2015 in der Hochschulpolitik. Unter anderem war fey 2019/20 das erste offen nicht-binäre Vorstandsmitglied des bundesweiten Dachverbands der Studierendenvertretungen fzs e.V. Schwerpunkte feys Arbeit sind europäische Hochschulpolitik und der digitale Wandel an den Hochschulen. Fey studiert aktuell Computing in the Humanities M.Sc. an der Universität Bamberg.
Sie haben Anregungen oder Fragen oder möchten auch einen Gastbeitrag schreiben? Dann schreiben Sie mir an: info@diehochschulerfrischerin.de . Ich freue mich auf SIE. Ihre Ulrike Margit Wahl.
Hinterlasse einen Kommentar